Rundgang
"Große Dinge hat die Zeit geboren, / Groß und wunderthätig ist die Zeit: / In drei Tagen ward ein Thron verloren, / In drei Tagen ward ein Volk befreit." Wo Karl Simrock die Ruhe, Erholung und Muße u.a. zur Neufassung des Nibelungen-Liedes fand, trafen sich Mitte des 19. Jahrhunderts berühmte Persönlichkeiten und Literaten der Romantik wie Ferdinand Freiligrath, Ludwig Uhland und die Brüder Grimm, mit denen Karl Simrock eine enge Freundschaft verband. Karl Simrock baute auf seinen Weinbergen einen Rotwein an, den er in Anspielung auf das altdeutsche Eckenlied "Eckenblut" nannte. Er genoss von 1840 bis zu seine Tode 1876 hier das Landleben. Sein Stadthaus in Bonn (Acherstraße 13) fiel dem letzen Krieg zum Opfer.
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"Wo treue Freundschaft Wurzel schlägt, da macht Gott einen Baum daraus. Wenn ich wieder nach Menzenberg komme, möchte ich gerne im Schatten dieses Baumes sitzen." Das frühere Weingut liegt in einem Tal am Fuße des Naturparks Siebengebirge umgeben von Wald und Weiden zwischen Bad Honnef und Rheinbreitbach. Hier beginnt der LITERARISCHE SIMROCK-FREILIGRATH-WEG von Bad Honnef-Menzenberg über Rheinbreitbach und Scheuren bis Unkel am Rhein zum Freiligrath-Haus. Der Gelehrte, Dichter und Übersetzer Simrock wohnte in Menzenberg;der befreundete Lyriker und freiheitsgesinnte Freiligrath in Unkel. Das Lebenswerk von beiden ist in Nachschlagewerken zum Teil ausführlich beschrieben, wie von nahezu allen, die damals dort verkehrten. Auch die Brüder Grimm wussten den Menzenberg zu würdigen. Sie genossen die Gastfreundlichkeit bei den sommerlichen Ausflügen von Berlin an den Rhein und die Zusammenkünften mit den Freunden dort. Ein Zeugnis für diese Zeit lieferte das Gästebuch "Menzenberger Album" mit Widmungen, Gedichten und Skizzen. Der Menzenberg war Mitte des 19ten Jahrundert insgesamt ein magischer Anziehungspunkt für Kultur und Wissenschaft. Auch Brahms soll einer Einladung hierher gefolgt sein und im Hagerhof ein Konzert gegeben haben.
Zwölftes Kapitel der Schildbürger Quelle: Projekt Gutenberg-DE zu den Werken von Karl Simrock unter gutenberg.spiegel.de Wie die Schildbürger die Ursache der Finsterniß in ihrem Rathhaus inne werden und ihr abhelfen. Die Schildbürger freute ihr neugebacken Rathhaus außermaßen sehr, hielten den ganzen Sommer lang immer Rath darin und handelten von wichtigen Sachen, das gemeine Wohl, das Vaterland und dessen Verbesserung anlangend. Sie hatten auch solches Glück, daß es jenen ganzen Sommer, wenn sie zu Rathe saßen, niemals regnete. |
Inzwischen begann aber der liebliche Sommer sein schönes, lustiges Angesicht zu verbergen, dagegen streckte der leidige Winter seinen rauhen Schnabel hervor. Das war ihnen ein sehr verdrießlicher Handel, weil sie nun fürderhin die Nase in die Kappe ziehen mußte. Darum bedachten sie denn alsobald, wie Einer unter einem großen breiten Hut (wie die sind, welche die jungen Laffen gemeinlich aus fremden Landen mitbringen, wenn sie so weit gewesen, daß sie in ihrer Heimath nicht mehr die Glocken läuten hören, und so lange ausgeblieben, daß sie ihrer Mutter Sprache vergessen sind, ihres Vaters Haus nicht mehr wissen, und darnach fragen, ja selbst die alte Katze nicht mehr kennen), wie Einer, spreche ich, unter einem großen Wetterhut sicher sein könne, also würden auch sie unterm Dach, welches dem Haus gleich wie ein Regenhut wäre, wider Schnee und Ungewitter beschirmt werden. Aus dieser Ursache machten sie das Dach in aller Eil mit gemeiner Hülfe wieder zu, mit dem Vorhaben, gleichwie sie den ganzen Sommer lang an der Sonne (wie der Schäfer auf der Heide) dem Faullenzen gedient hätten, so wollten sie sich den Winter hindurch in die Stube zum Ofen setzen und sich bei ihm um Hülfe und Rettung gegen erfrorne Glieder bewerben. |
Als aber das Dach wieder gedeckt war und sie ins Rathhaus gehen wollten, siehe zu, da war es leider eben so dunkel und finster darin als es zuvor gewesen war, eh sie von dem Wanderer die Taginshauszutragenersparungskunsterfindung gelernt hatten. Da merkten sie dann erst, daß sie hinters Licht geführt und häßlich betrogen wären. Aber sie mußten es dabei bleiben lassen und als zu einer geschehenen Sache das Beste dazu reden. Es war zu spät, den Beutel zuzuhalten, da das Geld hinweg, oder den Stall zu verschließen, nachdem die Kuh bereits daraus entführt war. Dessen unangesehen saßen sie wieder mit ihren Lichtspähnen (in deren Gebrauch, so lang ihr Rathhaus stünde, sie sich schon ganz und gar gefunden hatten) auf den Hüten beisammen und hielten geschwind einen engen Rath darüber, der sich tief in den Tag hinein verzog. Und als die Umfrage von Einem zu dem Andern ging, kam es auch zuletzt an Einen, der sich nicht den ungeschicktesten däuchte (seinen Namen lasse ich ehrenhalber verschwiegen bleiben); derselbe stand auf und sagte: er rathe eben das, was sein Vetter rathen werde; ging also mit Urlaub aus der Versammlung, vielleicht sich zu räuspern, wie denn die Bauern zuweilen so bösen Husten haben, daß Niemand um sie bleiben mag; oder um das Wasser die Berge hinab zu richten. |
Indem er also in der Finsterniß an der Wand (denn sein Lichtspahn war ihm erloschen) hin und her tappte, ward er von ohngefähr eines kleinen Risses oder Spaltes in der Mauer, wo es nicht recht zugemauert war, gewahr, wodurch er seinen schönen Bart einigermaßen sehen konnte. Da erinnerte er sich mit einem tiefen Seufzer seiner frühern Weisheit, auf welche sie Alle Verzicht gethan hatten, tritt wieder hinein und spricht: "Na also, ihr lieben Nachbarn, mit Urlaub ein Wort zu reden." Als ihm Solches vergönnet worden, sprach er ferner also: "Na, sind wir aber nicht gedippelt doppelte Narren? Ich frage euch Alle darum. Es erweist sich wohl (um aus mehrerer alten hingeworfenen Weisheit hier etwas einzuflicken), welch ein kräftig Ding es sei, wenn Einer eine andere Gewohnheit an sich nimmt, als er zuvor gehabt; indem die gute Gewohnheit, die er von Natur empfangen, unterdrückt und abgethan, die angenommene aber, sonderlich, wenn sie böse ist, ganz an die Stelle tritt und so consuetudo altera natura 1) wird. Wir haben eine närrische Weise angenommen, da wir doch von Natur weise und verständige Leute gewesen: und nun, siehe, die angenommene Weise schlägt uns recht in die Art und treibt die angeborene Art aus; so daß wir, die von Geburt und Natur weise gewesen, nun von Natur und Art Narren sein und solche Unart nimmer wieder fallen lassen werden. Wir haben so ängstliche üble Zeiten mit unserm Rathhaus, von den Kosten an, und gerathen in große Verachtung, damit wir nur den Mangel finden und verbessern, und unser Keiner ist jemals so witzig gewesen, zu sehen, daß wir an das Haus keine Fenster gemacht haben, wodurch das Licht hereinfallen könnte. Das ist doch gar zu grob, zumal im Anfang unserer Thorheit, wir hätten nicht so auf ein Mal und auf einen Stutz hereinplumpen und platschen sollen, daß es auch ein rechter geborener Narr merken könnte." Ob dieser Rede erschraken die Andern alle nicht anders, als ob sie Wer an den Hals geschlagen hätte, und verstummten wie die blinden Götzen, die ihr Lebenlang keinen Degen wetzen. Sie sahen aber auch einander an und schämten sich immer Einer vor dem Andern (wenn er nicht hinter ihm saß), wegen solchen großen Unverstandes und gar zu grober Narrheit. Darum fingen sie einhellig an, ohne erst Umfrage zu halten, die Mauern des Rathhauses an allen Orten zu durchbrechen, und war kein Schildbürger unter Allen, der nicht sein eigen Loch (wie jetzt die Schilde in den Stammbüchern und Glasfenstern) hätte haben wollen, von dem er sagen könnte: Dies ist mein Loch und ist mir ein fein Loch, Also ward das Rathhaus vollführt bis auf den innern Bau, von welchem aufs Baldigste zu vernehmen sein soll. Anm. 1 [Das Angewöhnte zur zweiten Natur] |
Vierzehntes Kapitel der Schildbürger Quelle: Projekt Gutenberg-DE zu den Werken von Karl Simrock Wie die Schildbürger einen Acker mit Salz besäeten, daß es wachsen sollte und was sich damit zutrug. Als nun das Rathhaus vollführt und mit Narren besetzt war, fingen sie an, alle Tage zusammen zu kommen und sich um die Sachen zu bekümmern und zu zermartern, welche zum gemeinen Nutz und Regiment gehörten, dessen sie sich nun, wie sie schuldig und verpflichtet waren, mit immer möglichstem, all ganz eifrigstem Ernst annahmen. Nun hatte ihr Witz sie auf eine Zeit dahin getrieben, daß sie an den Proviant gedachten und Rath hielten, wie man einen Vorrath hinterlegen möchte, um dessen bei vorfallender Theurung zu gebrauchen, damit man nicht bei den Wucherern und Kornwürmern gute Worte geben müßte. Dies bedachten sie gar weislich, denn es steht ja einer hochverständigen Obrigkeit zu, sich mit solchen Vorräthen zu versehen, um bei einfallendem Mangel den Unterthanen zu helfen, und den Wucherern, welche den ohnedies schon genug bedrängten Armen wie die Egel das Blut aus dem Leibe, ja das Mark aus den Knochen saugen, ihr unredlich niederträchtiges Gewerbe zu legen. Sonderlich über das Salz (dessen Feilkauf der schwebenden Kriegsläufe wegen gehemmt war, daher sie großen Mangel daran litten) kam zur Sprache, ob man nicht die Sache dahin bringen könnte, daß sie auch ihr eigen Salz hätten, da sie ja des Salzes in der Küche so wenig entbehren könnten als des Mistes auf dem Acker. Dieser Handel ward nun in die Läng und Breite, nach eines jeden Gutdünken erwogen, und das nach allen Seiten, denn es wurden allerlei Mittel, deren man sich bedienen könnte, vorgebracht und nach ihrer Weisheit bedacht. Endlich wurden sie Raths und beschlossen einhellig: Sintemal kund und offenbar, daß der Zucker, welcher dem Salz nicht unähnlich, auch wachse, so müsse ja folgen, daß das Salz gleichermaßen auf dem Felde hervorwachse, wie nicht minder daraus abzunehmen, daß auch das Salz Körner habe, wie man sage: Ein Körnlein Salz u.s.w. Da ferner kund und offenbar, daß andere Dinge wüchsen, z.B. Kälber, wenn man Käse setze, Hühner, wenn man Eier in den Boden stecke, so auch kein besserer Rath, als aß man ein großes Stück Feld, welches der Gemeinde gehöre, umbräche und baute und alsdann das Salz (dessen sie weniger entrathen könnten als der Narren) in Gottes Namen hineinsäete: so hätten sie auch eigen Salz und dürften nicht Andern darum nachlaufen und zu Füßen fallen. |
Das ward nun alsobald ins Werk gesetzt, der Acker gepflügt und wie ihre Weisheit erkannt hatte, mit Salz besäet, in der Hoffnung, es würde ihnen reichlich lohnen und Gott auch zu ihrer Arbeit den Segen überflüssig geben, zumal sie es in seinem Namen gesäet hatten. Auch versahen sie sich, ob sie gleich einen Gewinn davon hätten, so sei doch solcher Gewinn nicht als ein Landwucher ungerecht und schändlich, sondern von Gott gegönnt und gegeben und von Jedermann gebilligt. In solchem Vertrauen haben sie auch um den Acker desto fleißiger Sorge getragen und an die vier Ecken (denn er war nicht dreieckig wie das Rathhaus) Hüter oder Bannwarte gesetzt, jeden mit einem langen Blaserohr in der Hand, um die Vögel, wenn sie das gesäete Salz etwa wie andere Samen aufpicken wollten, niederzuschießen. Es währte nicht lange, so fing der Acker an, aufs Allerschönste zu grünen, worüber die Schildbürger unsägliche Freude gewannen. Sie meinten, nun sei es ihnen einmal gerathen, gingen alle Tage hinaus, um zu sehen, wie das Salz wüchse, und beredeten sich selber, sie hörten es wachsen, wie Jener das Gras. Und je mehr es wuchs, je mehr wuchs auch in ihnen die Hoffnung, und es war Keiner unter ihnen, welcher nicht in seinem Sinn schon einen ganzen Scheffel gegessen hätte. Zur größeren Sicherheit und bessern Verwahrung ihres Salzfeldes, welches sie gern vergrößert hätten, setzten sie, in Betracht, daß nicht nur die Vögel, sondern auch andere Thiere, als Pferde, Kühe, Schafe und sonderlich die leidigen Geißen, welche ohnedies gern Salz lecken, dem Samen Schaden zufügen könnten, zu den vorigen Hütern noch einen andern Bannwart und befahlen ihm, wenn etwa eine Kuh oder Geiß, ein Pferd oder Schaf auf den Acker käme, so sollte er sie wo möglich mit Stoßen, Jagen, Schlagen, Puffen, Klopfen, Zwicken, Scheuchen, oder wie er nur immer könnte, vertreiben, welches er ganz getreulich zu leisten versprach, wie er auch gethan hat laut dem, was folgen wird.
Dreißigstes Kapitel der Schildbürger Quelle: Projekt Gutenberg-DE zu den Werken von Karl Simrock unter gutenberg.spiegel.de Wie zwei Schildbürger miteinander die Häuser vertauschten. Die Schildbürger waren gut daran mit ihrer Narrheit und trieben dieselbe so viel, daß sie es in Gewohnheit brachten. Wie sie nun zuerst aus reifem und wohlbedachtem Rath die Thorheit angefangen hatten, also schlug sie hernach in ihre Natur und Art, also daß sie fürderhin nicht mehr aus Weisheit Narrethei trieben, sondern aus rechter, erblicher, angeborener Thorheit. Und wer den Spruch Consuetudo est altera natura nicht glauben wollte, der würde von diesen Bauern überzeugt werden, denn sie konnten nichts mehr thun, es war Alles närrisch, eitel Narrethei und Thorheit, was sie gedachten, geschweige erst, was sie anfingen. So waren zwei unter ihnen, die einmal gehört hatten, daß Leute zu Zeiten mit Tauschen viel gewonnen hätten. Das bewog sie, ihr Heil auch an einander zu versuchen und wurden also eins, ihre Häuser mit einander zu tauschen. Solches geschah aber beim Wein, als sie des Kaisers Letze verzechten. Wie denn solche Sachen gern zu geschehen pflegen, wenn der Wein eingeschlichen und der Witz ausgewichen ist. - Als nun Jeder sein Haus einräumen sollte, nahm der Eine, der zu oberst im Dorf wohnte, sein Haus (denn damals hatten die Bauern noch nicht so große Paläste als sie jetzt haben) und führte dasselbe stückweis in das Dorf hinab: der andere aber, welcher zu unterst im Dorf wohnte, das seine dagegen hinauf, und hatten also einander den Tausch gehalten und geliefert. Wer lacht nun? Ei, Lieber, so lache doch! Oder ist es nicht lachenswerth, so salzt es mit dem Nachfolgenden, so wird es schmackhaft werden. Man muß ja Eins mit dem Andern verkaufen, und also Böses mit Gutem vertreiben. |
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