Geschichte
1827 - 1834
Autor: Prof. Univ. Dr. Helmut Arntz, Bad Honnef
Der Vater von Karl Simrock war Großgrundbesitzer in Honnef
Zwischen 1827 und 1830 kaufte er 86 Grundstücke im Bereich Menzenberg
Nikolaus Simrock, am 23. August 1756 in Mainz geboren, nach neun Jahren Dienst in einer französischen Militärkapelle auf sein Gesuch durch Kurfürst Maximilian Friedrich nach Bonn berufen, ist bis 1792 Waldhornist in der kurfürstlichen Kapelle. Gleichzeitig hat er schon einen Musikalienladen, aus dem um 1800 der Simrock'sche Musikverlag entsteht, und handelt mit Musikinstrumenten, Schreibwaren, Leinen und Wein. Das muss ihm ein beträchtliches Vermögen eingebracht haben; denn seit 1820 kauft Nikolaus Simrock, was an Grundstücken nur zu haben ist: den Wicheishof in Bonn, den Frohnhof in Niederbachem, zu dem fünf kleinere Weingüter gehören, vier Häuser in der Bonner Maargasse und Bonngasse, mehr als 20 große Ländereien in Poppelsdorf, Kessenich und andern (damals noch selbständigen) Bonner Stadtteilen. 1827 muss sein Auge auf Honnef gefallen sein; denn aus der Simrockschen Verkaufsliste, die 1838 abgeschlossen wird, gehen 86 Grundstücke hervor die in den Jahren 1827 bis 1830 erworben wurden, fast sämtlich in den Fluren 27, 28 und 29, also der Gegend um Hagerhof, Zickelburg, Menzenberg.
Den Anstoß zu diesem starken Engagement hatte vielleicht gegeben, dass Nikolaus Simrock, Vater von Karl Simrock, am 12. Oktober 1827 der Regierung in Köln zwei Weingüter im Menzenberg kaufen konnte, das "Reuschische" und das "Neunkirchsche", so nach den Pächtern benannt. Der Handriss zur Urkarte von 1825 ist in Flur 27 auf den Flurstücken 85 und 86 Weingut aus, beschriftet "Domainenpächter Jacob Reusch". Das andere Weingut liegt in Flur 29, Parzellen 306 und 307; gepachtet von Bertram Neunkirchen.
Der ehemalige Minoritenhof
Professor J.J. Brungs gibt in seinem verdienstvollen Buch "Die Stadt Honnef und ihre Geschichte" (1923) auf S. 112/113 eine lange Liste der von der Bergischen, später der Preußischen verpachteten, durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 Staatsbesitz gewordenen Honnefer Weingüter. Den von (damals noch Barthei) Neunkirchen gepachteten ehemaligen Minoritenhof, auf dem später "Haus Parzival" entstand, nennt er; der Name Reusch kommt unter den 15 Gütern und Weingärten nicht vor. Das "Reuschische" Weingut war aber gar nicht klein; es maß 39 Morgen 84 Ruten 96 Fuß magdeburgisch, was 101.600 Quadratmeter oder gut 10 Hektar sind, und war damit etwa ebenso groß wie das "Neunkirchsche" Weingut mit 41 Morgen 23 Ruten 41 Fuß oder fast genau 10,5 Hektar.
Großgrundbesitzer am Ort
Schon mit diesen beiden Weingütern war Nikolaus Simrock also für Honnefer Verhältnisse ein Großgrundbesitzer am Ort. Er besaß aber noch mehr, was aus der Verkaufsliste vielleicht nur unvollständig hervorgeht; lauter Grundstücke, die über die Flurlagen um "im Reuschen Berge", "zum Nötgen Stall" und "Am Menzenberg" so verstreut sind, dass sie offenbar nur als Geldanlage und ohne die Absicht gekauft waren, sie selbst zu nutzen. Nur jeweils ein Flurstück, zumeist Holzung, liegt Im Mütches Tal, Im Hilger, Am Betterkammer Puht, Auf der Sandkaul, Im Weizen Felde, Auf dem München Berge, dies als Beispiele aus den 25 Grundstücken in Flur 28; sonst sind es je Flurlage allenfalls zwei. Die Flurstücke sind, zumal für Holzungen, Im allgemeinen nicht groß; Nr. 200 zum Beispiel nur 7 Ruten 15 Fuß, also knapp 100 qm. Trotzdem ergeben die 86 Grundstücke in den vier Honnefer Fluren 27, 28, 29 und 30 zusammen 85 Morgen 105 Ruten 25 Fuß, also rund 22 Hektar.
1827 von Nikolaus Simrock erworben
Bei den Besitzverhältnissen gibt es ganz allgemein eine große Merkwürdigkeit; denn auf allen Parzellen sind Personen eingetragen, die sich auch nachweisen lassen; so in Flur 29 Martin Dewis, wohnhaft zu Köln (Art. Nr. 144 der Grundsteuermutterrolle) oder Adolph Heck sen. (Art. 284) und Wilhelm Mehles (Art. 548), beide zu Selhof wohnhaft. Die Parzellen, auf denen sie eingetragen sind, gehören aber zum "Neunkirchschen" Weingut, das ungeteilt, wie es der Staat 1803 von den Minoriten übernommen hatte, an Neunkirchen verpachtet und 1827 von Simrock erworben wird; die Eingetragenen können also nur Unterpächter der Pächter gewesen sein. Der Urhandriss als Grundlage des Katasters ist aber zum Zweck der Steuererhebung angelegt worden; alle darin auf Grundflächen vermerkten Personen müssen steuerpflichtig gewesen sein, obgleich es nur Unterpächter waren. Für die Honnefer Familiengeschichte und Namenskunde, um die sich Johannes Jansen so verdient macht, ist diese reiche Namensgut um 1825 ein Glücksfall.
Auch die Bewertung ist teilweise erstaunlich. Ein Weingarten des Pächters Reusch misst 2 Morgen 137 Ruten 75 Fuß oder gut 7 000 qm. Sein Reinertrag ist mit 12 Talern 18 Groschen 10 Pfennigen angesetzt. Welch enormer Wert das ist (ein Beweis für die hohe Wertschätzung des Honnefer Weinbaus noch um 1830) lässt sich erkennen, wenn das Haus des Jacob Reusch damit verglichen wird, das sich mit einem Reinertrag von 28 Groschen 35 Pfennigen ganz erbärmlich dagegen ausnimmt. Allerdings war der "Reinertrag" meilenweit entfernt vom Grundstückswert; denn bei der Simrock'schen Erbteilung ist das "Reuschische" Weingut mit 2 750 Taler preußisch courant angesetzt.
Nicht lange in der Familie
Der immense Grundbesitz, den Nikolaus Simrock im Bonner Raum angehäuft hatte, ist nicht lange in der Familie geblieben, nachdem der Erblasser am 12. Juni 1832 die Augen geschlossen hatte. 1837 erwirbt der Bonner Major Karl von Wumb den größten Teil des Honnefer Besitzes, und nur das nach 1834 auf ein Siebtel verkleinerte "Neunkirsche" Weingut bleibt Simrockbesitz.
Karl Simrock wollte kein Honnefer Winzer werden
Kaum ist Nikolaus Simrock am 12. Juni 1832 verstorben, da schwärmen die Erben aus, um den Grundbesitz zu Geld zu machen. Karl mit seinem Bruder Joseph, Eigentümer eines lithographischen Instituts in Bonn, und ihrem Schwager Anton Keil, vormals Justizbeamter, der in Paris lebt, fällt die Aufgabe zu, die beiden Honnefer Weingüter, das "Reuschische" und das "Neunkirchsche", unter den Hammer zu bringen. So erscheint Notar Clemens August Schäle zu Königswinter "in Gemäßheit des von dem Herrn Carl Simrock Kammergerichts Referendar dermalen in Bonn wohnhaft, am Zweiten Oktober (1832) vor dem instrumentirenden Notar passirten Depositionsactes" in der "Behausung des Gastwirthes Michael Velt zu Königswinter", um auf den Grund der niedergelegten Bedingungen den Verkauf zweier zu Honnef am Menzenberg gelegenen ihm und seinen Miterben gehörigen Weingüter vorzunehmen. In Anwesenheit mehrerer "Steigtustiger" wird von ihm das Bedingungsheft verlesen. Über den weiteren Verlauf hält das Protokoll fest:
"Diesemnach wurde das erste Weingut, wovon Verzeichnus und Abschätzung vorgelegt und vorgelesen wurde, ausgestellt, und zwar um die Taxe von zwey tausend neunhundert ein und vierzig Thaler. Da nach einiger Zwischenzeit kein Gebot erfolgte, so wurde von den Requirenten beliebt, daß das zweite Weingut, benutzt von Heinrich Neunkirchen, ausgestellet werde, weiches sodann um die Taxe von zwey tausend drey hundert sieben und sechszig Thater ausgestellt würde. Es bot Herr Cart Ludwig Fabricius, Königlicher Oberbergbeamter zu Bonn, zwey tausend zwey hundert Thaler. Da kein höheres Gebot erfolgte, so ,beliebten die Herren Requitenten, daß beide Weingüter zusammen ausgesetzt würden. Herr Peter Mäurer, Wirth zu Königswinter, bot drey tausend fünf hundert Thaler. - Herr Philipp Joseph Lennä, Gutsbesitzer zu Honnef, bot vier tausend Thaler. - Herr Franz Cart Anton Simrock, Gasthalter zu Bonn, bot vier tausend zwey hundert Thaler. Da dieses letzte Gebot weit unter Taxe geblieben ist, so erklärten die Requirenten, daß sie hierfür den Zuschlag nicht ertheiten könnten und die Sitzung hiemit aufhöben, welches ich Notar den Anwesenden bekannt gemacht habe."
Auf dem Deckblatt vermerkt
"Die Erben Nicolas Simrock zu Bonn versuchen den Verkauf zweier Weingüter der aber nicht genehmigt wird", vermerkt Notar Schäfer auf dem Deckblatt. Die Schreibung "Nicolas" ist nicht fehlerhaft, sondern Nikolaus Simrock pflegte sich selbst mit der französischen Form zu bezeichnen. Drei seiner Töchter heirateten kleine französische Beamte, im Bonner Haus wird meist französisch gesprochen - Grund genug für Karl Simrock, sich nun erst recht "deutsch" zu fühlen und gewiss eine Ursache dafür, dass er, statt sich auf das juristische Studium zu beschränken, zu den Vorlesungen über deutsche Literaturgeschichte geht und, darauf aufbauend, selbst ein so bedeutender Künder deutscher Sprache und Überlieferung wird.
Auktionsmethoden
Noch hat er keine Absicht, den Parzival zwischen Rebstöcken zu übertragen; aber dies Idee kommt ihm bald. Einstweilen freilich ist das Ergebnis noch schlechter, als da Protokoll aussagt; denn Carl Ludwig Fabricius ist Karls Schwager, Ehemann von Anna Simrock, und wollte ebenso wie Bruder Franz Carl Anton kein Weingut ersteigern, sonder durch ein Gebot andere dazu ermuntern. Die drei Veranstalter der Auktion brauchen sich nicht zu schämen, denn die Bemühungen der Familienmitglieder, Grundbesitz zu veräußern sind ebenso erfolglos. Der Preis von 2367 Thalern, zu dem hier das an Neunkirchen verpachtete Weingut angeboten wird, ist genau der gleiche, zu dem Karl Simrock zwei Jahre später das Weingut von seiner Schwester Elisabeht Martin erwirbt.
"Angestellt für den Landgerichtsbezirk ..."
Ob dem Notar Clemens August Schäfer missfiel - wie so vielen seiner Landsleute - , dass die Rheinlande nach den napoleonischen Kriegen Preußen einverleibt worden waren? Während seine Bonner Kollegen sich "Königlich Preußischer Notar" nennen, heißt es bei ihm noch 1832: "ich, Notar C. A. Schäfer, angestellt für den Landgerichtsbezirk Cöln in der Stadt Königswinter im Herzogthum Berg residiernd ..."
Acht von dreizehn Kinder lebten beim Tod von Nikolaus Simrock noch
Dreizehn Kinder hatte Ottilie Francisca Blascheck Nikolaus Simrock über einen Zeitraum von einundzwanzig Jahren (von 1781 bis 1802) geboren; acht sind 1832 beim Tod des Vaters noch am Leben. Nach den ergebnislosen Bemühungen, durch den Verkauf des Grundbesitzers bares Geld zu gleichen Teilen ausschütten zu können, müssen die Acht sich etwas anderes einfallen lassen. Sie bitten den Königlich Preußischen Notar Carl Eilender am 4. November 1832 in die elterliche Wohnung, wo sie sich fast vollständig versammelt haben; nur das Ehepaar Joseph Anton Martin und Elisabeth geb. Simrock in Dünkirchen wird durch Anton Keil, Ehemann von Dorothea geb. Simrock vertreten. Die Comparenten erklären dem Notar:
"Nachdem der Versuch, durch öffentlichen Verkauf der Immobilien zur Theilung der Erbmasse zu gelangen, gescheitert sei, der Verkauf unter der Hand zu vortheilhaften Bedingungen aber ein weit aussehendes Ansehen zu gewinnen schien (d.h. langwierig sein werde), hätten sie einheitlich beschlossen, durch eine Natural-Theilung sämmtlicher Immobilien unter den Erbbetheiligten aller ferneren Weitläufigkeit ein Ziel zu setzen. Sie hätten demgemäß die zum Nachlaß gehörigen Immobilien (mit Ausschluß der schon in acht andere Loose vertheilt, und ersuchten mich, dieselben hergebrachter Maaßen unter sie zu verloosen."
Los 1 bis 8
Los 1: Der Wichelshof in Bonn. - Los 2: Das von Jacob Reusch gepachtete Domänenweingut "Im Reuschenberg", Menzenberg bei Honnef. - Los 3: Der Niederbachemer Frohnhof, fast 80 Morgen groß. - Los 4: Haus Nr. 394 in der Maargasse. - Los 5: Haus Nr. 392 in der Maargasse. - Los 6: Haus Nr. 391 in der Bonngasse. - Los 7: Das von Barthei, dann Bertram, nun Heinrich Neunkirchen gepachtete Domänenweingut am Menzenberg. - Los 8: Haus Nr. 505 in der Bonngasse; dazu bei Los 5 an die dreißig Ländereien, teilweise beachtlich groß, in den Gemeinden Poppelsdorf, Kessenich, Endenich, Lengsdorf, Dottendorf und Bonn.
Lose unterschiedlich
Es ist einleuchtend, dass die Lose im Wert sehr unterschiedlich sind. Die Erben, die alles in vorbildlicher Freundschaft regeln, haben daher eine "Masse" gebildet, eine Vermögensmenge also, aus der oder in die ausgeglichen wird. Dazu das Protokoll: "Durch Übereinkunft sämtlicher Erbbetheiligten ist der Werth jedes einzelnen Looses auf sechs tausend Thaler Preußisch courant festgesetzt worden,.so daß auf den Grund des ebenfalls durch Ubereinkunft festgesetzten Werthes der in jedes einzelne Loos fallenden Immobilien die einzelnen Betheiligten, je nachdem das ihnen zu befallene Loos mehr oder weniger als 66 Thaler beträgt, in baarem Gelde die Masse entschädigen oder von derselben entschädigt werden müssen. Das im Menzenberg bei Hon, Weingut nef gelegene an Reusch verpachtete ist zu einem Theilungswerthe von 2 750 Thaler angesetzt, woraus sich ein Minus von dreitausend zweihundert fünfzig Thalern ergibt, welche mithin diesem Loose aus der Masse vergütet werden müssen. Das sogenannte Neunkirchensche Weingut zu Menzenberg bei Honnef ist zu einem Theilungswerth von 2,367 Thaler angesetzt, woraus sich ein Minderbetrag von 3 633 Thalern ergibt, weichen mithin die Masse diesem Loose herauszuzahlen hat."
Weinernte beschlagnahmt
Die Pächter Jacob Reusch und Heinrich Neunkirchen sind erheblich verschuldet so dass ihnen die Simrocks die Weinernte beschlagnehrnen mussten, wie sich aus dem Protokoll ergibt: "in Betreff des im zweiten Loose beschriebenen Räuschischen und des im siebten Loose beschriebenen Neunkirchschen Weinguts soll der neue Eigenthümer berechtigt, jedoch nicht verpflichtet sein, die Schuldforderungen an die beiden Pächter von der Masse zu fünfzig Prozent ihres Nominalwerths zu übernehmen; jedoch ist er gehalten, sich innerhalb acht Tagen nach der Ziehung bei Verlust dieses Rechts, hierüber zu erklären."
Karl Simrock Eigentümer des fünften Loses
Bei der Ziehung fällt das zweite Los - das von Jacob Reusch gepachtete Weingut - der mit ihrem Ehemann Marcus Magnier in Paris lebenden Frau Elise geb. Simrock zu, das siebte Los - das von Heinrich Neunkirchen gepachtete Weingut - der mit ihrem Ehemann Joseph Anton Martin in Dünkirchen lebenden Frau Elisabeth geb. Simrock. Karl Simrock wird Eigentümer des fünften Loses, dem Haus Nr. 39 in der Maargasse, das an seinen Schwager, den Kgl. Oberbergbeamten Carl Ludwig Fabricius, und seine Ehefrau Maria Anna geb. Simrock vermietet ist, und der Fülle der einzelnen Ländereien in den damals noch selbständigen Gemeinden rund um Bonn. Es ist sicher das am schwierigsten zu bewirtschaftende Los. "Herr Anton Keil, als Bevollmächtigter des Herrn Joseph Anton Martin, welchem das siebte Loos zugefallen, und Frau Elise Magnier als Eigentümerin des zweiten Loses, von ihrem Ehemann hierzu ermächtigt, erklären hierdurch, dass sie die Schuldforderungen an die beiden Pächter der Weingüter zu 50 Prozent von der Masse übernehmen. Übrigens wird nur derjenige Teil der Forderung zu 50 Prozent überlassen, welcher nicht durch die in Beschlag gelegt diesjährige Weincrcenz bereits gedeckt ist."
Gekauft am 12. Oktober 1827
Das zweite Loos "besteht aus dem im Menzenberg bei Honnef gelegenen an Reusch verpachtete Weingut. Es besteht aus einem Wohngebäude, Kelterhaus, Stallung und Garten, 3 Morgen 178 Ruthen 97 Fuß Weingärten, 4 Morgen 162 Ruthen 95 Fuß Ackerland, 2 Morgen 143 Ruthen 20 Fuß Wiesen und Baumgärten, 25 Morgen 106 Ruthen 70 Fuß Holzungen, zusammen 39 Morgen 84 Ruthen 96 Fuß magdeburgisch (oder fast genau 70 Hektar). Der Erblasser der Comparenten hat das Gut von der Kgl. Regierung zu Cöln den 12. Oktober 1827 gekauft, welcher Kauf den 31. May desselben Jahres vom Kgl. Finanz Ministerium genehmigt worden ist."
Das siebte Los "besteht aus dem sogenannten Neunkirchschen Weingut zu Menzenberg bei Honnef und enthält Wohngebäude, Kelterhaus, Stallung und Garten, 3 Morgen 151 Ruthen 77 Fuß Weingärten, 4 Morgen 17 Ruthen 20 Fuß Ackerland, 34 Morgen 62 Ruthen 20 Fuß Holzungen und Heiden, 3 Morgen 54 Ruthen 5 Fuß Wiesen, zusammen 41 Morgen 23 Ruthen 41 Fuß Magdeburger Maaß (oder rund 10,5 Hektar). Der Erblasser hat dasselbe von der Kgl. Regierung zu Cöln den 12. Oktober 1827 angekauft, welcher Kauf am 31.May desselben Jahres vom Kgl. Finanzministerium genehmigt worden ist. Daß die Kaufschillinge bezahlt wurden, beweisen die Quittungen des Domainrates Schäfer vom 23. Oktober 1827. Am 13. May 1829 und am 11. Januar 1831 hat er von Bertram Neunkirchen noch zwei Parzellen dazu an sich gekauft, und ergibt sich aus den Acten selbst die Bezahlung der desfallsigen Kaufschillinge." Die beiden zuletzt erwähnten Parzellen hatten nach Ausweis des Urhandrisses unmittelbar an den Domänengrundstücken gelegen; deshalb war ihr Erwerb wichtig. Der Pächter heißt hier noch Bertram, in andern Urkunden Heinrich Neunkirchen; dabei dürfte es um Vater und Sohn gehen.
Tücke des Losentscheids
Statt leicht und günstig zu vermietender Häuser hatten die französischen Familien Magnier in Paris und Martin in Dünkirchen durch die Tücke des Losentscheids zwei Weingüter mit hoch verschuldeten Pächtern erhalten - so hoch, dass ihnen die Weinernte des laufenden Jahres bereits mit Beschlag belegt war. Man kann sich denken, wie sehr den neuen Besitzern daran gelegen ist, das teure Erbe gegen gutes Geld einzutauschen. Die Magnier müssen fünf Jahre warten, bis der Verkauf des Reuschischen Weinguts an den Bonner Major Karl von Wumb gelingt; vom Schicksal des Neunkirchenschen Weinguts werden wir noch hören. "Zu dem gegenwärtigen Act wurden neun Stunden verwendet", und Notar Eilender kassiert einen Stempel von einem ganzen Taler - das waren Zeiten!
1834 - 1840
Karl Simrock wird im Jahre 1834 Weingutsbesitzer!
Nach einem verschuldeten Weingut in Honnef stand dem Douanecontrolleur Josephe Antoine Martin ebenso wenig der Sinn wie dem Steuereinnehmer Marcus Magnier. Herr Martin und Frau Elisabeth hatten schon am 29. Oktober 1832, sechs Tage vor der Verlosung des Simrockerbes, in Bonn unbeschränkte Vollmacht an Elisabeths Schwager Antoine Keil erteilt, "den Verkauf der Mo- und Immobilien der Erbschaft zu betreiben, alle Bedingungen dieserhalb festzusetzen, . . . in jeder Streitsache zu comprömittiren, zu subttuiren, und überhaupt alles vorzunehmen, was zum Behuf der in Frage stehenden Erbauseinandersetzung erforderlich werden dürfte, unter dem Versprechen der Genehmhaltung wie Rechtens" - so Notar Eilenders Urkunde.
Es scheint aber Unzufriedenheit gegeben zu haben, wohl sogar Misshelligkeiten, worauf die Bestimmung in Karl Simrocks Kaufvertrag schließen lässt, dass er befugt sei, den Rest der Kaufsumme zinslos zurückzuhalten, bis Antoine Keil die Schuldverschreibungen des Pächters und die Eigentumsdokumente über das Grundstück herausgegeben hat. Jedenfalls erhält am 6. August 1833 der zweite Sohn von Nikolaus Simrock, Franz Carl Anton, Besitzer des Hotels "Trierzer Hof" in Bonn, vor zwei französischen Notaren in Dünkirchen unbeschränkte Vollmacht für den Verkauf des Weinguts am Menzenberg. Die Vollmacht muss einen mühseligen Weg nehmen: Der Präsident des Gerichts 1. Instanz bestätigt die Unterschrift der Notare, deren Unterschrift der Gerichtspräsident in Donal, dessen Unterschrift der Staatssekretär der Justiz, dessen Unterschrift der Sekretär des Außenministeriums, dessen Unterschrift der Kgl. Preußische Geschäftsträger. Ein Wunder, dass all das in sechzehn Tagen über die Bühne geht; erforderlich wohl, weil der erhoffte Erlös von Bonn nach Dünkirchen transferiert werden soll.
Es ist nicht sicher, dass Franz Carl Anton zu diesem Zeitpunkt einen Käufer hat; denn erst am 13. März 1834 tritt er mit Bruder Karl vor den Kgl. Preußischen Notar Hermann Joseph Rennen in Bonn; der eine "Gastgeber zu Bonn auf dem Markte wohnend", der andere "ehemaliger Kammergerichts-Referendar nun Rentner in Bonn wohnend". Franz Carl Anton nimmt seine Aufgabe sehr genau; der Vertrag hat sechs lange Paragraphen. Leider werden keine Daten angegeben, da Karl Simrock als von der Familie bestellter Verwalter der Erbmasse, wie er hier erscheint, diese selbst vor der Verlosung mitgeteilt hatte. Daraus ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt das Neunkirchensche Weingut noch seine alte Größe von 41 Morgen 23 Ruten 41 Fuß Magdeburger Maß (rund 10,5 Hektar) hat und die Verkleinerung auf ein Siebtel aus Verkäufen durch Karl Simrock beruht.
Kaufpreis: 2367 Taler
Der Kaufpreis beträgt 2 367 Taler preußisch courant. Davon zahlt Karl an den Bruder sogleich 800 Taler aus, "welche Letzterer nachgesehen, richtig befunden, in Empfang genommen und darüber quittirt hat." Der Rest ist bis Ende 1834 zu zahlen und bis dahin mit fünf Prozent zu verzinsen. Franz Karl Anton nimmt auch das sehr ernst: Zur Sicherheit dieser Forderung bestellt der Herr Ankäufer dem Herrn Verkäufer die erste Hypothek an dem verkauften Gute daselbst und überläßt es dem Herrn Verkäufer, dieselbe inscribiren zu lassen."
Forderungen der Eheleute Martin
In § 3 geht es um die Forderungen der Eheleute Martin gegen den Pächter Neunkirchen wegen der diesem geleisteten Vorschüsse. Wie bei der Verlosung festgelegt, übernimmt Karl Simrock sie zu fünfzig Prozent ihres Nominalwerts; die neue seitdem von dem Pächter contrahirte Schuld jedoch zu ihrem vollen Werth, jedoch nur gegen Aushändigung des von dem Pächter ausgestellten Empfangsscheines. Die alte Schuld betrug nach Abzug der vorigjährigen Weincreszenz 166 Thaler 14 Silbergroschen; "die fünfzig Prozent davon werden Franz Karl Anton sogleich vor dem Notar ausgezahlt. Die neue Schuld beträgt 54 Taler zuzüglich 13 Taler, die Anton Keil dem Pächter vorgeschossen hat.
Mutmaßung bestätigte sich
In dem HVZ-Beitrag "Baute Karl Simrock ein ganzes Haus?" vom 26.Juli 1991, hatte ich gemutmaßt, Karl Simrock habe das Weingut 1834 erworben; das hat sich bestätigt. Dass es aber schon seit 1833 seine Bleibe war, wird durch § 4 zur Gewissheit: "Als Aequivalent für die frühere Benutzung dieses Weinguts von Seitens des Ankäufers bezahlt derselbe ein Jahr Zinsen von dem vorstehenden Kaufpreis von 2 367 Thalern, jedoch nur zu vier Prozent, wogegen der Verkäufer auf die vorigjährige, sowie jede weitere Weincreszenz Verzicht leistet. Alle Staats- und Communalsteuern für das vorige und alte weiteren Jahre hat der Ankäufer zu entrichten übernommen, und wie der Ankäufer die in diesem Absatz übernommene Zinsen vom 4. März vorigen bis zum 4. März dieses Jahres zu vier Prozent mit 94 Thaler 20 Groschen 5 Pfennigen dem Mandatar in meiner, des Notars, und Zeugen Gegenwart baar bezahlt hat, so hat Letzteres hierüber quittirt."
Verpflichtung des Verkäufers
§ 5 behandelt die oben schon genannte Verpflichtung des Verkäufers, "die notarielle Schuldverschreibung des Pächters Neunkirchen, so wie die Eigenthums-Urkunden über das Weingut, wie sie dem Nikolaus Simrock von der Kgl. Regierung übermacht worden, und wie sie der Ankäufer in seiner Eigenschaft als Archivar der Simrockschen Erben Herrn Anton Keil gegen Quittung überliefert hat, wieder herbeyzuschaffen und ihm noch vor Ablauf des Jahres überhändigen zu lassen, widringenfalls Ankäufer berechtigt sein soll, den Rest des Kapitals ohne weitere Verzinsung solange zurückzuhalten, bis ihm die Urkunden übermacht worden sind".
Schon 1832 auf Menzenberg wohnlich eingerichtet
"So geschehen zu Bonn im Hause des Herrn Karl Simrock am 13. März 1834 ...". Karl Simrock war 1832 nach dem Tod des Vaters also wohl im Herbst, von Berlin nach Bonn zurückgekehrt. Da er mit dem ältesten Sohn seiner Schwester Elisabeth eng befreundet war, wird es ihm nicht schwergefallen sein, nach der Verlosung vom Oktober 1832 die Erlaubnis zu erhalten, sich auf dem Menzenberg wohnlich einzurichten. Wann der Ausbau des Kelterhauses begonnen. hat, kann nicht mehr festgestellt werden. Eine einfache Überlegung führt darauf, dass zuerst der nördliche Teil des Kelterhauses, also zum Hang hin, aufgestockt wurde. Zum einen ist das im Gegensatz zum soliden Bruchstein des Vorderhauses dünnes Fachwerk, das sich schnell zimmern und füllen ließ. Zum andern führt gerade dorthin der "Eiserne Gang", der Haus Parzival mit dem Pächterhaus verbindet. Pächter Neunkirchen hatte Hausmeisterfunktionen; er musste während der Abwesenheit des Besitzers beide Häuser versorgen, und dafür war der Verbindungsgang ideal.
Das fünfte Los
Karl Simrock hatte bis zum Tod des Vaters wohl kein nennenswertes Vermögen besessen. Das ihm zugefallene fünfte Los umfasste das Haus Nr. 392 in der Maargasse, das mit 1600 Talern sehr gering bewertet war (das Wohnhaus der Eltern Simrock dagegen, mit 8 500 Talern); ferner mit 1893 Talern den Rest der Dotierung des Wicheishofes und die mit 989 Talern bewerteten vielen Grundstücke in Bonn und den umliegenden Gemeinden. Das macht 4 392 Taler aus, so dass Karl Simrock 1 608 Taler von der "Masse" erstattet erhält. Da er nicht auf das Haus Nr. 392 angewiesen ist (Gertrud Antoinette Ostler brachte das schöne Wohnhaus in der Acherstraße mit in die Ehe), kann er den ungeliebten Besitz vollständig zu Geld machen. Außerdem stand ihm ein Achtel des Erlöses für die vielen Grundstücke zwischen Bonn und Rheindorf zu, die schon vor der Verlosung vom 4. November 1832 in acht selbständige Lose aufgeteilt worden waren. Die Zahlung der 2367 Taler für das Weingut kann ihm also nicht schwer fallen, zumal seine Frau im gleichen Jahr außer dem Wohnhaus noch eine beträchtliche Mitgift mitbringt; nicht zu erwähnen das hohe Mobilienvermögen des Vaters', das den acht noch lebenden Kindern im Juni 1832 zugefallen war.
Dokumente sprechen für sich
Im Besitz des Weinguts veräußert Karl Simrock sechs Siebentel der Fläche. Der Erlös dafür steckt in "Haus Parzival", dessen zweistöckiqer Bau zur Straßenseite hin nach den Grundstücksverkäufen, also nach 1837 begonnen sein wird; 1840 ist er fertiggestellt. Die Berichte zur Vorgeschichte des Hauses, die sich in diesen Blättern zeigt, waren nicht immer ganz zutreffend. Es schien richtig, weitgehend die Dokumente sprechen zu lassen, die eine glückliche Fügung erhalten hat.
1840 - 1876
Das "Haus Parzival" war im Jahre 1840 fertiggestellt - Veräußerte sechs Siebentel der Fläche des Weingutes
aus: Karl Simrock 1802 - 1876 Einblick in Leben und Werk, Wissenschaftliche Beiträge und Dokumentarisches anlässlich Simrocks 200. Geburtstag am 28. August 2002, herausgegeben von der Karl-Simrock-Forschung Bonn.
Von Roswitha Oschmann
"Seinen Menzenberg" stellte der frischgebackene "Winzer" völlig "auf den Kopf'. Auf dem mächtigen, fünf Jahrhunderte alten Gewölbekeller des Minoritenweingutes errichtete er ein zweigeschossiges, spätklassizistisches Wohnhaus, in das das alte Keltergebäude einbezogen wurde. 1840 war das Werk vollendet. Karl Simrock gab seinem Heim den Namen "Haus Parzival". Der Schriftzug über dem Eingang bezeugt es. Darunter die Signatur: "K. S. 1840 G. O." für Karl Simrock und Gertrud Ostler. Kein Wunder, schließlich "geisterte" damals jene Figur aus Wolframs von Eschenbach (1168-1220) Versepos durch Simrocks Tagwerk. Er war gerade mit der Übertragung dieser Dichtung aus dem Mittelhochdeutschen beschäftigt, die dann 1842 unter dem Titel "Parzival und Titurel" erschien. Aber Karl Simrock huldigte in seinem Arkadien nicht nur Wolframs Helden. Er glaubte an einen rheinischen Schauplatz der Dietrichsage.
In Simrocks Werk tauchen Ortsnamen wie Köln, Bonn, Königswinter, Erpel, Unkel, Selhof und das Siebengebirge mit dem Drachenfels auf. In der Nähe seines Landhauses am Menzenberg stieß er auf Flurstücke wie Dederichsloch oder Dederichskaule, Eckenhagen, Eckendorf, Eckenrod, das Geckental, das er als Eckental deutete, und die Faselskaule, die seiner Ansicht nach die Fasoldskaule sein musste. Ergo folgerte er: Riese Ecke wurde von Dietrich am Menzenberg erschlagen, sozusagen vor Simrocks Haustür.
Ja, mehr noch: Im "wirklichen Leben" taufte Karl Simrock den Rotwein, der bei ihm gekeltert wurde, "Eckenblut". Hätte Simrock, dieser Mann mit dem ernsten, schmalen Gesicht, mit den buschigen Brauen, mit der hohen Gestalt, der so streng, fast finster wirkte, den ihm eigenen Sinn für Humor und Witz besser unter Beweis stellen können? Tatsächlich, zu einer Steigerung war er noch fähig. Simrock widmete dem roten Muskateller von seinem Wingert sogar ein Scherzgedicht. Nachzulesen auf den kunstvoll gestalteten Flaschenetiketten, die dem fröhlichen Zecher auch noch einen optischen Reiz hinsichtlich der Herkunft des edlen Tropfens boten: "Haus Parzival" und der Weinberg sind darauf abgebildet. Die Landschaft hatte Simrocks Freund Carl Schlickum, den Rahmen Kupferstecher Emden gezeichnet.
Simrocks Studierstube im Haus Parzival. Radierung von Heinrich Reifferscheid 1905, nach einer alten Vorstudie. Einzige authentische Abbildung. Besitz des Originals: Nachlassverwaltung Gerhard Reifferscheid
Nebenbei bemerkt, an Simrocks Weinhang wuchs nur der süße Rote; nicht typisch für Menzenberg. Laut Abrechnungsbüchern aus dem 18. Jahrhundert betrug dort das Verhältnis von Weiß- zu Rotwein sechs zu eins. Auch noch zu Simrocks Zeiten. 1825 existierten im Distrikt Menzenberg 67 Morgen Rebfläche mit lediglich mittlerer Bodenqualität. Dennoch waren die Kunden, zu denen Geistliche und Klosterbrüder zählten, mit dem "Menzenberger", so der Sammelbegriff, durchaus zufrieden. Auch die Grimms wussten Weine und Trauben, die ihnen Simrock aus seinem Geckental nach Berlin sandte, zu würdigen. Sie kannten den "Eckenblut" schließlich zur Genüge von den gemütlichen Zusammenkünften mit den Freunden her. Ein Zeugnis für die beliebten Stunden lieferte das Gästebuch mit Widmungen, Gedichten und Skizzen.
Wunsch des Bayernkönigs ausgeschlagen
Das offene Haus der Simrocks war auch Verdienst von Ehefrau Gertrud Antoinette - gleich, ob in Menzenberg oder in der Bonner Stadtwohnung. Letztere nutzte Simrock während der Semester, nachdem er 1850 zunächst zum außerordentlichen, aber leider unbezahlten Professor für Geschichte der deutschen Literatur und zwei Jahre später zum Ordinarius ernannt worden war.
Wenn ihn die Sehnsucht nach dem Siebengebirge ergriff, dann postierte er sich am Alten Zoll und schaute hinüber auf seinen Garten Eden. Bei dieser Heimatliebe verständlich, dass er das ehrenvolle Angebot des bayerischen Königs Max Joseph im Jahre 1852, in München als Dichter in unabhängiger Stellung eine Pension zu beziehen oder aber eine Professur für 1 500 Gulden im Jahr zu übernehmen, ablehnte. Er blieb und erhielt im Gegenzug endlich die ordentliche Professur in Bonn, die allerdings lediglich mit vergleichsweise bescheidenen 400 Talern honoriert wurde. Er blieb, auch wenn die Professoren seiner Heimatstadt dem Poeten unter ihnen mit vornehmer Zurückhaltung begegneten. Aber der Inhaber des ersten germanistischen Lehrstuhles in Bonn hielt auch als Universitätsprofessor an seiner Devise fest: "Wein, Gesang, Geselligkeit können uns beglücken; wer den dreien sich geweiht, spottet Schicksalstücken." Gab's hierfür einen besseren Hort als Menzenberg? Das Schicksal schonte Simrock freilich nicht. Den besonders fruchtbaren beiden Jahrzehnten zwischen 1840 und 1860 schloss sich wegen einer Depression ein einjähriger Aufenthalt in einer Heilanstalt in Württemberg an. Schmerzlich der Tod von Freunden - 1859 Wilhelm Grimm, 1862 Ludwig Uhland, sein sprachliches und stilistisches Vorbild, 1863 Jakob Grimm - und besonders der Verlust seiner Frau wenige Wochen vor seinem 70. Geburtstag. Simrock folgte ihnen am 18. Juli 1876. Tags zuvor war er vom Schlag getroffen worden, mitten in der Ausübung seines Lehramtes, als er das Ergebnis einer in altdeutscher Literatur abgenommenen Prüfung schriftlich niederlegte.
1876 - 1976
Das Anwesen gerät in fremde Hände
Gertrud Antoinette Ostler hatte Karl Simrock vier Kinder geschenkt. Die älteste Tochter Agnes (*1835) blieb ledig und lebte zu Menzenberg. Wenige Monate vor ihrem Hinscheiden im September 1904 brannte noch die Gerätescheune des Pächterhauses vollständig ab. Bereits 1893 und nochmals 1898 hatten die zu gleichen Teilen erbenden Kinder - dazu gehörte auch die entmündigte, in einer Heilanstalt untergebrachte Tochter Dorothea (1836-1911) beziehungsweise beim zweiten Anlauf die Nachkommenschaft des bereits 1897 verstorbenen einzigen Simrock-Sohnes Dr. Caspar Simrock (*1842) - durch Versteigerungen die Erbengemeinschaft über den Honnefer Besitz zu beenden versucht. Aber erst 1907 war wieder ein Alleinerbe zu vermerken: Heinrich Reifferscheid (1872-1945), Sohn der jüngsten Simrock-Tochter Anna (1846-1905), die den Altphilologen August Reifferscheid (1835-1887) geheiratet hatte. Schon als Schüler stellte der spätere Kunstmaler Heinrich Reifferscheid sein Talent eindrucksvoll unter Beweis. Er verewigte das "Haus Parzival" sowie Interieurs und Landschaft der Umgebung auf Zeichnungen und in Öl. Besonders beeindruckend sein Gemälde "Abend in Menzenberg", ein Abbild jener Stimmung, der sich Großvater Simrock schon nicht entziehen konnte. Als er 1911 als Professor dem Ruf der Staatlichen Kunstschule der Kunstakademie Berlin entsprach, veräußerte er nur ungern das Anwesen an Pfarrer Richard Reinhardt. Das Mobiliar wollte er der Stadt Honnef schenken; noch nicht einmal eine Antwort wurde ihm auf dieses generöse Angebot zuteil. So nahm er das Inventar mit. Einige Stücke stehen heute im Stadtmuseum Bonn.
Karl Simrocks Haus' ist auf der Rückseite des 99 Pfennige Notgeldes von Bad Honnef aus den 1920er Jahren abgebildet, eine Federzeichnung von Heinrich Reifferscheid. Links und rechts ist der Text von Simrocks Weinetikett aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Textübertragung ist in dieser Publikation unter Weinetikett Menzenberg nachzulesen.
Fabrikant Walter Bosch aus Bochum sowie der Fabrikant und Pfarrer Richard Treplin aus Dänemark leisteten sich jeweils für einige Jahre "Haus Parzival". 1929 wurde Albert Coenders neuer Hausherr. Damit zogen über dem "PoetenTempel" Gewitterwolken auf. Der Professor hatte schon fünf Jahre zuvor den nebenan liegenden Leyenschen Besitz erworben. Der Zukauf war für ihn sozusagen Selbstschutz. Coenders galt als Kauz, dem Nachbarn widerstrebten. "Haus Parzival" war nur als "Barriere" gedacht, stand zunächst einfach leer. Als Coenders' Schwester dessen Urlaub nutzte, um das Brennesseldickicht zu lichten, wurde sie wegen Zerstörung der Romantik mit Hausverbot bestraft. 1935 wollte Coenders verkaufen; das realisierte er ebenso wenig wie eine Instandsetzung. Bald darauf fiel eine Decke des Anbaues herunter. Im und nach dem Zweiten Weltkrieg fanden Ausgebombte und Flüchtlinge unter teilweise unwürdigen Bedingungen hier eine Bleibe. Beschränkte Reparaturen in den fünfziger Jahren verbesserten nur geringfügig ihre Situation, und 1963 verließen sie die unwirtliche Stätte. Gähnende Leere in den Räumen, Zerfall im Zeitraffer. Allenfalls die Schüler des nahen Gymnasiums Schloss Hagerhof feierten in dem verlassenen Gemäuer.
1976 - 1995
Die Rettung von "Haus Parzival"
Nach dem Tod Professor Coenders war das Testament, das er einem Studienfreund, einem hohen Beamten, zur Aufbewahrung gegeben haben wollte, nicht aufzutreiben; 17 Erben stritten sich um Haus und Hof. Statt sich zu einigen, ließen sie lieber weiterhin den Zahn der Zeit an den Menzenberger Immobilien nagen. Es nahte der 100. Todestag Karl Simrocks im Jahre 1976. Am Rande einer Ausstellung in der Bonner Universitätsbibliothek ihm zu Ehren zerbrachen sich der Simrock-Biograph Professor Dr. Hugo Moser, Landeskonservator Professor Dr. Günther Borchers und Professor Dr. Helmut Arntz die Köpfe über eine Rettung von "Haus Parzival", zumal schon das Domizil an der Acherstraße im Krieg zerstört worden war und nicht mehr dem Andenken des Gelehrten dienen konnte. Für Prof. Arntz als Fachkollege Simrocks, als Bad Honnefer und nicht zuletzt als langjähriger Präsident der "Gesellschaft für Geschichte des Weines e. V." war es ein Herzensbedürfnis, "Haus Parzival" wieder zum Leben zu erwecken. Der gebürtige Bonner (* 6. Juli 1912 † 31.05.2007) konnte eine Erbin, der ein 118tel Teil vom Hab und Gut Coenders zustand, dazu bewegen, Antrag auf Zwangsversteigerung zu stellen. Damit war der Weg frei. Für Prof. Arntz war es selbstverständlich, dass er den Besitz, auf dem sich so viele deutsche Geistesgrößen vor über einem Jahrhundert wie zu Hause gefühlt hatten, wo noch immer der Geist Simrocks zu verspüren war, ersteigern würde.
Am 16. Dezember 1981 war es soweit. Es erfolgte gleichzeitig der Eintrag in die Denkmalliste. Nun begann die Arbeit. Ein Gutachter hatte zuvor noch das vernichtende Urteil "abbruchreif" gefällt. Im "Haus Parzival" floss das Wasser an acht, im Pächterhaus an drei Stellen ungehindert hinein. Die Fachwerkwand war herausgebrochen, die Dächer waren völlig zerstört, an den Balken zumindest die Köpfe verfault, die Fußböden verrottet, alle Fenster von Unkräutern und Sträuchern zugewachsen, die teils sogar schon im Inneren wucherten. Experten rieten Prof. Arntz von der Renovierung des kleinen Hauses ab. Aber der Honnefer hatte dessen dicke Wände begutachtet und ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Es dauerte Jahre, bis endlich die triefenden Mauern unter den frischen Dächern ausgetrocknet waren. Für den Retter dieses Refugiums der Schöngeister in der Spätromantik ein schieres Wunder: Die Treppe hatte ebenso wie die Fenster, Türen und die Außenläden, die teilweise im Garten herumlagen, alle Unbill überstanden. Das Eichenholz war unversehrt, wie sich nach dem Ablaugen der bis zu sechs Farbschichten herausstellte. Immer hatten auch die Fachleute des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege ihr wachsames Auge auf den Restaurierungsmaßnahmen. Sie kratzten mit Pinzetten und ermittelten tatsächlich an fast allen Teilen die ursprüngliche Farbgebung. Nun also erhielten Außentüren und Läden ein tiefes Blau wie einst, und die Treppe wurde schwarz angepinselt. Die Holzelemente am Pächterhaus hingegen leuchteten fortan wieder dunkelgrün. Aber für den wissenschaftlichen Mitarbeiter des Denkmalamtes, Dieter Spiegelhauer, und den Leiter der Unteren Denkmalbehörde in Bad Honnef, Hanspeter Palm, besonders faszinierend: die Eigenwilligkeit des Hauses - der hohe mit einem Eisengerüst bewährte Gang, der das Obergeschoss von "Haus Parzival" mit dem Pächterhaus verbindet. Diese Brücke wurde nötig, als Simrock Professor wurde und nicht mehr so häufig auf seinem Landsitz sein konnte; seinem Halfen war es auf diese Weise in Abwesenheit des Besitzers möglich, auch Hausmeisterfunktionen wahrzunehmen. Vor allem aber musste er sich um Anbau und Keltern des Weins kümmern, wovon Simrock selbst - gelinde gesagt - kaum etwas verstand und was ihn darüber hinaus auch nicht sonderlich interessierte; er trank ihn nur gern. Bemerkenswert ebenso: Im Keller ist noch heute das Loch für die Schläuche zum Füllen und Abziehen der Weinfässer zu entdecken.
Neu sind im einstigen Domizil des Dichters auch die sanitären Einrichtungen und Elektroinstallationen sowie die Wasserleitungen. Früher wurde das Wasser aus einem sieben Meter tiefen, von einer Quelle gespeisten Brunnen im Keller in beide Häuser befördert - mit einer museumsreifen Maschine.
Zwölf Räume und fünf kleinere Kammern entstanden allein im "Haus Parzival". Von Simrocks Einrichtung ist auf Menzenberg nichts mehr aufzuspüren. Lediglich ein Schwengel von der ursprünglich neben dem Eingang plazierten Pumpe verkörpert ein Relikt vom Blatt der Geschichte - als einst die Dichterschar an den vielgerühmten, wärmenden Kachelöfen verweilte und sich der flackernde Kerzenschein in den Weinpokalen spiegelte.
Am 31. Januar 1985 zogen die beauftragten Handwerker ab, tags darauf die Bewohner beider Häuser ein. Sie sind es jetzt, die die Idylle der Dichter und Denker genießen können. Der alte Weinberg ist nicht mehr, auf dem einstigen Wingert stehen jetzt hohe, betagte Bäume. Da war es wie ein Geschenk, fast wie ein Gruß, als der Hauseigner überraschend eine meterlange Rebe erblickte, die sich zwischen den Ästen eines Apfelbaumes schlängelte - eine Amerikaner-Rebe aus der Epoche Karl Simrocks am Menzenberg. Prof. Arntz ließ eine Pergola bauen, die dem kostbaren Fund seither Schutz und Entfaltungsmöglichkeit bietet. Von dem alten Stock wurden Reiser geschnitten für einen kleinen, neuen Weinberg. In einigen Jahren werden diese Ableger Trauben tragen - es wird noch mehr "Eckenblut" fließen.
Quellen:
Hugo Moser: Karl Simrock, 1976, Helmut Arntz: Das Karl-Simrock-Haus, Denkmalpflege im Rheinland 4/85; Das Simrock-Haus, HVZ 12/84; Geschichte der Simrocks in Honnef, HVZ 1/92, Adolf Nekum: Alt-Menzenberg in neuem Glanze, HVZ 4/85
ab 1995
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